Über das klassische Preflight hinaus: Kontextsensitive Objekterkennung (Sifter)

Das klassische Preflight konzentriert sich auf Objekteigenschaften, so wie sie auf einer bestimmten Seite vorliegen. Manchmal müssen auch einfache geometrische Beschränkungen berücksichtigt werden - etwa, ob ein Objekt innerhalb des Endformatrahmens oder des Anschnittrahmens liegt. Mit dem klassischen Preflight können viele potenzielle Probleme erkannt werden, bevor sie zu Verzögerungen führen oder gar durch einen erhöhten Ausschuss oder entgangene Einnahmen echten Schaden in der Produktion anrichten können.

Besonders in der Welt des Digitaldrucks - mit immer engeren Terminplänen, gesteigerter Automatisierung, anspruchsvolleren Kunden und schnell wachsenden Herausforderungen in komplexeren Produktionsumgebungen - steigen die Anforderungen an Preflight und Verarbeitung.

Eine Schwäche des klassischen Preflights ist die mitunter erhebliche Anzahl an falschpositiven Meldungen: etwas als mögliches Problem zu melden, was dann aber in der tatsächlichen Situation auf der Seite gar kein Problem ist. Es kann zum Beispiel wichtig sein, dass schwarzer Text in einer kleinen Schriftgröße auf Überdrucken gesetzt ist, um Passerproblemen in der Druckmaschine vorzubeugen. Dennoch ist das Überdrucken von schwarzem Text in kleiner Schriftgröße nur dann relevant, wenn es überhaupt einen Inhalt unterhalb dieses Textes gibt.

In anderen Fällen reicht es nicht aus, die Anforderungen nur an Objekte innerhalb des Endformatrahmens oder des Anschnittrahmens zu stellen - im Verpackungsdruck und im Etikettendruck sind die tatsächlich gedruckten Objekte typischerweise gar nicht rechteckig, sondern sie können alle möglichen Formen haben (sogar mit Löchern in diesen Formen). Hier ist es wichtig, bestimmte Prüfungen auf den Bereich innerhalb der Stanze zu begrenzen, um zu sicherzustellen, dass der durch lebensmittelrechtliche oder andere Vorschriften vorgeschriebene Text nicht zu nah an der Stanzlinie liegt und beim Stanzen abgeschnitten werden könnte, falls der Stanzprozess nicht passgenau ist.

Einige Anwendungsbeispiele

Die folgenden Beispiele sollen eine Vorstellung davon geben, wie die Kontextsensitive Objekterkennung genutzt werden kann. Manchmal ist es dank spezieller Eigenschaften sehr einfach, entsprechende Prüfungen einzurichten. Bei anderen, herausfordernderen Fällen kann es notwendig werden, die Allzweckeigenschaft „Kontextsensitive Objekterkennung (Sifter)“ einzusetzen, die eine volle Kontrolle über jeden denkbaren Aspekt bietet, dabei aber auch mit mehr Aufwand einzurichten ist.

Ein Gesichtspunkt, der nicht übersehen werden sollte ist, dass Prüfungen, die Kontextsensitive Objekterkennung nutzen, als Filter in einer Reihe von Korrekturen genutzt werden können.

Überdrucken von schwarzem Text in kleinen Schriftgrößen nur dann erzwingen, wenn tatsächlich ein Objekt darunter liegt

Schwarzer Text in einer kleinen Schriftgröße wird oft auf Überdrucken gesetzt, um einer möglichen Passerungenauigkeit im Druckprozess vorzubeugen. Würde ein solcher Text darunter ausgespart, würden kleine, doch sehr auffällige weiße Linien um den Text zu sehen sein.

Zahlreiche Preflight-Konfigurationen markieren Text in kleiner Schriftgröße, wenn dieser nicht auf Überdrucken gesetzt ist. In vielen Fällen hat ein solcher Text aber gar keine Inhalte unterhalb - deshalb spielt es keine Rolle, ob dieser Text nun auf Aussparen oder Überdrucken gesetzt ist.

Mit dem Einsatz der Kontextsensitiven Objekterkennung wird es möglich, Text in geringer Schriftgröße nur dann für das Überdrucken zu markieren, wenn tatsächlich sichtbarer Inhalt unterhalb vorhanden ist.

Erkennen, ob die Stanzlinie ganz oder teilweise von anderen Objekten überlagert wird

In einer PDF-Seite werden Schnittlinien in der Regel mit einer einfachen Kontur in einer Schmuckfarbe mit einem bestimmten Namen (etwa „Schnittlinie“) angelegt. Schneidevorrichtungen können solche Schnittlinien aus einem PDF-Dokument auslesen und für die Ausführung des Schneidevorgangs nutzen.

Um beim Blick auf eine PDF-Seite eine Verwechslung zwischen einer Linie, die nur wie eine Schnittlinie aussieht und einer tatsächlichen Schnittlinie zu vermeiden, ist es wichtig, dass kein Teil der Schnittlinie von anderen Objekten verdeckt ist.

Eine Prüfung mit der Kontextsensitiven Objekterkennung kann dafür genutzt werden, Objekte zu finden, die sich mit einer Kontur in der Schmuckfarbe „Schnittlinie“ überkreuzen und die gleichzeitig über dieser Kontur liegen (liegen sie darunter, hat das keine negativen Auswirkungen auf die Schnittlinie).

Unsichtbare Objekte, die von andere Objekten verdeckt sind, finden und enthüllen

Auf einer Seite können grafische Objekte aus mehreren Gründen unsichtbar sein:

  • sie befinden sich außerhalb der Seitenfläche
  • sie werden von einem Beschneidungspfad weggeschnitten
  • sie werden von einem deckenden Objekt verdeckt
  • oder eine Kombination der oben genannten Punkte, was Auswirkungen auf verschiedene Teile des grafischen Objekts haben kann (so kann ein grafisches Objekt effektiv unsichtbar werden, weil unterschiedliche Teile davon von einem der oben genannten Effekte betroffen sind).  

In einigen Fällen kann es von besonderem Interesse sein, auf Objekte, die von anderen Objekten überdeckt sind zu prüfen, weil jemand die erstgenannten unabsichtlich in den Hintergrund verschoben hat.

Mit der Kontextsensitiven Objekterkennung ist es möglich …

  • auf grafische Objekte zu prüfen, die unsichtbar sind, weil sie von anderen, deckenden Objekten verdeckt werden
  • nach der Prüfung die „Snap“-Funktion zu nutzen, um sich jedes dieser unsichtbaren grafischen Objekte genauer anzusehen
  • für Diagnosezwecke: alle sichtbaren Objekte zu entfernen, so dass die unsichtbaren (weil von anderen, deckenden Objekten verdeckten) Objekte sichtbar werden

Sicherstellen, dass alle Textobjekte über allen anderen Objekten liegen

Es gibt Workflows, die so angelegt sind, dass PDFs wiederverwendet werden, wobei der grafische Inhalt erhalten bleibt aber die Textinhalte durch veränderte oder übersetzte Versionen ersetzt werden. In solchen Szenarien kommt es darauf an, dass die Entfernung von bestehendem Text oder das Hinzufügen von geändertem Text keine negativen Auswirkungen auf die Darstellung des grafischen Inhalts hat.

Hierbei ist es wichtig sicherzustellen, dass alle Textobjekte oberhalb aller anderen Objekte liegen. Mit der Kontextsensitiven Objekterkennung kann man sicherstellen, dass keine sichtbaren Objekte über irgendwelchen Textobjekten liegen.

Wo Wiederverwendungs-Workflows lediglich schwarzen Text ersetzen - so dass nur die Druckform für Schwarz erneuert werden muss - kann die Prüfung natürlich auf schwarzen Text beschränkt werden.

In Fällen, in denen der Text nicht bereits oberhalb allen anderen Seiteninhalts liegt, kann die folgende Option hilfreich sein.

Bestimmen, ob ein Objekt in den Vordergrund gebracht werden kann, ohne die visuelle Darstellung der Seite zu beeinflussen

Es gibt zwei Methoden um zu ermitteln, ob das Verschieben von Text in den Vordergrund irgendwelche Nachteile bringt:

  • Kontextsensitive Objekterkennung verwenden, um alle Textobjekte zu finden, die sichtbare Inhalte oberhalb aufweisen
  • Ein Profil mit der „in den Vordergrund“-Korrektur auf Text anwenden. Außerdem die Prüfung „Visuelle Unterschiede zwischen Original und Ergebnis“ anwenden; immer, wenn ein Verschieben von Text in den Vordergrund die visuelle Darstellung der Seite beeinflusst, wird eine Warnung herausgegeben

Unsichtbare Objekte entfernen (unabhängig davon, ob außerhalb der Seitenfläche, verdeckt oder beschnitten)

Wie bereits beschrieben, können Objekte aus unterschiedlichen (und sogar kombinierten) Gründen unsichtbar sein. Eine Prüfung mit der Kontextsensitiven Objekterkennung lässt sich nutzen, um unsichtbare Objekte mit der „Objekte entfernen“-Korrektur zu entfernen.

Objekte finden, die zu nah an der Schnittlinie liegen

Schnittlinien sind in vielen Fällen nicht rechteckig. Daher ist es mit dem klassischen Preflight schwierig, Objekte zu finden, die zu nah an der Schnittlinie liegen. Eine Schnittlinie lässt sich über den Namen der Schmuckfarbe identifizieren, in der sie angelegt ist oder darüber, dass sie auf einer bestimmten PDF-Ebene liegt (beispielsweise gemäß der Processing Steps Spezifikation, wie sie in ISO 19593-1 definiert ist). So lässt sich das Vorhandensein einer Schnittlinie auf einer PDF-Seite ermitteln.

Mit der Kontextsensitive Objekterkennung ist es möglich, alle sichtbaren Objekte auf einer Seite daraufhin zu überprüfen, ob sie näher an der Schnittlinie liegen als durch einen benutzerdefinierten Abstand erlaubt (zum Beispiel 3mm oder 10pt). Dies kann mit unterschiedlichen Werten für den Abstand innerhalb oder außerhalb zur durch die Schnittlinie definierten Fläche durchgeführt werden.

Objekte außerhalb des Anschnittbereichs eines beliebig geformten Etiketts entfernen

Während der Erstellung und Prüfung von Druckdaten für den Etikettendruck können beträchtliche Mengen an Inhalten auftauchen, die letztendlich gar nicht gedruckt werden. Diese liegen üblicherweise außerhalb des Anschnittbereichs des Etiketts, wobei der Anschnittbereich über die Schnittlinie um das Etikett - plus eines zusätzlichen Bereichs von 3mm gemessen von der Schnittlinie aus - definiert wird.

Die Möglichkeit, grafische Objekte außerhalb des Etiketten-Anschnittbereichs komplett zu entfernen, kann dabei helfen, die Produktionsdatei aufzuräumen. Wo es notwendig ist, bestimmte Inhalte - wie etwa Anweisungen oder Firmenlogos - zu erhalten, lässt sich die Kontextsensitive Objekterkennung entsprechend einrichten. Wird die Prüfung als Filter in einer „Objekte entfernen“-Korrektur verwendet, so wird die entsprechende Entfernung der außenliegenden Objekte wie voreingestellt ausgeführt.

Konformität mit der Processing Steps Spezifikation (ISO 19593-1)

Die „Processing Steps“ Spezifikation ist eine ISO-Standard, der vorgibt, dass grafische Objekte, die nicht dafür vorgesehen sind im tatsächlichen Druckprozess gedruckt zu werden, auf bestimmte Ebenen gestellt werden. Dabei haben diese Ebenen bestimmte Metadateninformationen und folgen bestimmten Regeln. Typische Beispiele für ‚nicht-druckende‘ Objekte sind Schnittlinien, Falzlinien, Hinweise für das Stanzen oder das Bohren von Löchern, Klebebereiche, Hinweise für Formate, Anweisungstext und weiteres mehr.

Das Hauptziel der Processing Steps Spezifikation ist die Minimierung von Produktionsfehlern und eine Vereinfachung beim Austausch und der Verwendung von nichtdruckenden Objekten, etwa für automatisierte Schneideprozesse.

In der Processing Steps Spezifikation behandeln zahlreiche Vorschriften die Beziehungen zwischen den grafischen Objekten untereinander. So ist es beispielweise in einer PDF-Datei, die der Processing Steps Spezifikation entspricht untersagt, dass irgendwelche grafische Objekte über der Schnittlinie sich mit dieser Schnittlinie kreuzen.  

Mit pdfToolbox ist es möglich, auf Basis der Kontextsensitive Objekterkennung eine umfassende Konformitätsprüfung auf die „Processing Steps“ Spezifikation durchzuführen.

Kontextsensitivität

Die Verknüpfung des klassischen Preflights mit dem Kontext, in dem grafische Objekte auf einer Seite existieren, erweitert Preflight um eine neue und grundlegende Dimension. Kontext liegt in verschiedenen Arten vor:

  • Stapelordnung: zieht in Betracht, ob ein grafisches Objekt vor oder nach anderen grafischen Objekten gezeichnet wird. Ein grafisches Objekt kann nur von anderen grafischen Objekten blockiert oder verdeckt werden, wenn diese nach dem vorliegenden grafischen Objekt gezeichnet werden
  • Überschneidung: zieht in Betracht, ob ein grafisches Objekt einen bestimmten Bereich mit einem anderen grafischen Objekt auf einer Seite teilt; oder einen beliebigen anderen Bereich, wie er etwa durch Schnittlinien, Weißbereiche für transparente Folien oder nicht zu bedruckende Klebebereiche, definiert ist
  • Innen und außen: zieht in Betracht, ob ein grafisches Objekt innerhalb oder außerhalb anderer grafischer Objekte oder zum Rand eines anderen, beliebig geformten Bereichs auf der Seite liegt
  • Nähe: zieht in Betracht, wie nah ein grafisches Objekt zu anderen grafischen Objekten oder zum Rand eines anderen, beliebig geformten Bereichs auf der Seite liegt
  • Beschneidung: zieht in Betracht, ob ein grafisches Objekt teilweise oder vollständig beschnitten wird
  • Verdeckung: zieht in Betracht, ob ein grafisches Objekt teilweise oder vollständig von anderen deckenden grafischen Objekten verdeckt wird

Abhängig von Inhaltstyp, der per Preflight geprüft werden soll, können verschiedene Kontext-Aspekte in unterschiedlichen Kombinationen eine Rolle spielen. Darüber hinaus bietet die Kontextsensitive Objekterkennung für grafische Objekte einen leistungsfähigen Filtermechanismus: Sei es, dass es um die Entfernung von beschnittenem oder verdecktem Inhalt geht, um die Einschränkung bei der Modifizierung von schwarzen Text in kleinen Schriftgrößen, der tatsächlich über anderen grafischen Objekte liegt oder um die Anwendung von Farbkonvertierungen für grafische Objekte innerhalb von Schnittlinien und vieles weitere mehr.

Sifter, Kontextsensitive Objekterkennung auf Knopfdruck

Sifter - kurz für die Technologie der Kontextsensitiven Objekterkennung - wurde von callas software in umfangreichen Forschungs- und Entwicklungsprozess entwickelt. Bereits 2014 wurde ein Forschungsprojekt in Kooperation mit der Beuth Hochschule für Technik Berlin durchgeführt. Neben anderen Tätigkeiten trug die Masterarbeit „Context Aware Preflighting in Packaging Printing“ von Nils Niggemann wertvolle Kenntnisse zum damaligen Status Quo der fortgeschrittenen Erfordernisse des Preflights in der europäischen und nordamerikanischen Verpackungsindustrie bei.

Während erfahrene Fachkräfte, die an der Forschung von Niggemann teilnahmen, Schwierigkeiten damit hatten, über den Tellerrand hinauszuschauen und lieber die bekannten Werkzeuge verwendeten, wurde deutlich, dass besonders im Verpackungs- und Etikettendruck ein flexiblerer und feinmaschiger kontextsensitiver Preflight bald zu einer kritischen Anforderung werden würde - gerade weil diese Branche sich zu den schnelleren Digitaldruckprozessen hinwendet.

Die Performance war ein wichtiges Anliegen in der frühen Umsetzungsphase: Komplexe Verpackungsdesigns - und besonders ausgeschossene Bögen dieser Designs - können schnell zehn- oder gar hunderttausende einzelne grafische Objekte enthalten. Dennoch sollte die Ausführung einer komplexen Prüfung einer typischen Seite mit Kontextsensitiver Objekterkennung im Schnitt Sekunden und nicht Minuten dauern.

Über wiederholte Forschungs- und Implementationszyklen wurde die Sifter-Technologie von callas software zu einer Engine, die umfassende Prüfungen mit den Fähigkeiten der Kontextsensitiven Objekterkennung - mit den heute für Workflows geforderten Verarbeitungseschwindigkeiten - bereitstellt.

Sifter ist integraler Bestandteil von pdfToolbox ab Version 10 und sowohl für die Desktop-, Server-, sowie Kommandozeilen- und SDK-Versionen für die Betriebssysteme Apple MacOS, Microsoft Windows und Linux verfügbar.